Obwohl die heidnische Kultur in Europa vom Christentum verdrängt wurde, war sie noch lange nicht tot. Sie lebte fort in verschiedenen Lehren, manchen Bruderschaften und Geheimbünden wie dem Freimauerertum und tauchte im 16. und 17. Jahrhundert in der Geschichte Europas erneut in augenfälliger Weise auf. Verschiedene europäische Denker, beeinflußt von den Schriften alter griechischer Denker wie Aristoteles und Platon begannen die Begriffe der heidnischen Welt von neuem nach Europa zu bringen. Diese Neo-Polytheismus zu nennende Strömung gewann zunehmend an Einfluß, wurde im 19. Jahrhundert stärker als das Christentum und führte zu einer intelektuellen Beeinflussung Europas. Auch wenn wir hier nicht auf die Details dieser langen Zeitspanne eingehen können, so ist es doch von Nutzen, einige Grundzüge aufzuzeigen.
Die ersten Vorläufer des Neo-Poltyheismus stellten die Humanisten genannten Denker dar. Diese wurden von den alten griechischen Quellen beeinflußt, machten sich die heidnischen Philosophien von Denkern wie Platon und Aristoteles zu eigen und bemühten sich, diese zu verbreiten. Der Glaube, den sie mit dem Begriff “Humanismus” bezeichneten, war eine verquere Philosophie, die der Existenz Gottes und der Verantwortung des Menschen gegenüber Gott keine Beachtung schenkte und statt dessen den Menschen allein als ein übergeordnetes und hervorgehobenes Wesen betrachtete. Die Auswirkungen des Humanismus gewannen im 17. und 18. Jahrhundert mit dem Aufkommen der Philosophie der Aufklärung eine weitere Dimension. Die Vertreter der Aufklärungsphilosophie hatten sich den Materialismus des alten Griechenland zu eigen gemacht und verteidigten diesen mit großem Eifer. Materialismus ist eine von den griechischen Denkern Leukipp und Demokrit entwickelte dogmatische Philosophie, die behauptet, dass alles aus Materie besteht.
Die Wiedergeburt des Polytheismus ist ganz offensichtlich während der Französischen Revolution, die im allgemeinen als ein politisches Ergebnis der Aufklärungsphilosophie angesehen wird. Die Jakobiner, die die führende Rolle in der blutigen Phase der Französischen Revolution übernommen hatten, wandten sich anstelle des Christentums dem Polytheismus zu und schürten einen großen Haß gegenüber dem Christentum. Während der hitzigsten Tage der Revolution kam es aufgrund der intensiven Propaganda der Jakobiner sogar zu einer Bewegung des Austritts aus dem Christentum. Dazu wurde eine “verstandesgeprägte Religion” propagiert, die sich auf die Symbole des Polytheismus stützte.
Dieser begann sich mit dem “Revolutionärem Gebet” am Tag der Föderation am 14. Juli 1790 zusehends auszubreiten. Der blutbefleckte Führer der Jakobiner, Robespierre, führte neue Regeln für das “revolutionäre Gebet” ein und faßte dessen Grundsätze in einem Bericht mit dem Namen “Gebet an das übergeordnete Wesen” zusammen. Das augenfälligste Ergebnis dieser Entwicklung war das Umfunktionieren der berühmten Kirche Notre Dame in einen “Tempel des Verstandes”. Die christlichen Figuren wurden von den Wänden der Kirche entfernt und in der Mitte eine Frauenstatue aufgestellt, die als “Göttin des Verstandes” bezeichnet wurde, also ein heidnischer Götze war.
Der Polytheismus wurde von den Revolutionären mittels verschiedenen Symbolen ausgedrückt. Die in der Französischen Revolution von den Revolutionsgarden getragene und in zahlreichen Abbildungen als revolutionäres Symbol verwendete rote Mütze ist ein dem Mitras-Kult entstammendes heidnisches Symbol.5
Die Wiedergeburt der heidnischen Kultur und der Beginn ihrer Vorherrschaft in Europa bereitete den Weg für die Wiedergeburt des Faschismus, der ja ein System aus der polytheistischen Welt darstellt. Nazideutschland, ein dem faschistischen System Spartas nachempfundenes System, stützte sich auf diese heidnische Kultur. Allerdings bedurfte es mehrerer kultureller Veränderungen, um von der Französischen Revolution am Ende des 18. Jahrhunderts zum Nazideutschland am Anfang des 20. Jahrhunderts zu gelangen. Diese Veränderungen wurden im 19. Jahrhundert von einigen Intellektuellen vollführt, von denen der wichtigste Charles Darwin ist.